Gebärdensprach­dolmetschen

Berufsprofil

Zur Tätigkeit von Gebärdensprach­dolmetscherInnen

DolmetscherInnen sind Fachleute für die Kommunikation zwischen Angehörigen unterschiedlicher Sprachgemeinschaften und Kulturen. Die Aufgabe von GebärdensprachdolmetscherInnen ist es, die Kommunikation zwischen hörenden und hörgeschädigten (also gehörlosen, schwerhörigen, ertaubten oder – allerdings sehr selten – taubblinden) Personen zu ermöglichen. Dies kann in den verschiedensten Situationen gewünscht sein: beispielsweise im beruflichen Bereich bei Betriebsversammlungen, Mitarbeiterbesprechungen, in der Aus- und Weiterbildung oder im Studium; im privaten Bereich bei Taufen, Hochzeiten, Elternabenden, Arztbesuchen etc.; bei öffentlichen Veranstaltungen kultureller oder politischer Art, im juristischen und Verwaltungsbereich bei Behördengängen, Anwaltsterminen, vor Gericht oder bei der Polizei – und in vielen anderen Situationen. GebärdensprachdolmetscherInnen haben also ein sehr weites Einsatzspektrum. Dabei haben alle Einsätze ihre besonderen Bedingungen und Ansprüche.

Im Gegensatz zu ÜbersetzerInnen, die in der Regel schriftlich arbeiten, sind DolmetscherInnen vor allem für die Übertragung gesprochener Texte in andere Sprachen zuständig. Sie übertragen das Gesagte und alle weiteren relevanten akustischen oder visuellen Informationen in die jeweils andere Sprache. Durch den Einsatz von GebärdensprachdolmetscherInnen wird eine unkomplizierte und funktionierende Kommunikation gewährleistet. Dabei ist es nicht allein wichtig, dass beide Gesprächsparteien in ihrer eigenen Sprache miteinander kommunizieren können, mindestens ebenso bedeutsam ist, dass hörgeschädigte GesprächspartnerInnen entspannt folgen können, da das Absehen vom Mund oder Aufschreiben oft zu mühsam und in einer großen Gruppe gar nicht mehr praktikabel ist.

Zur Berufsauffassung von Gebärdensprach­dolmetscherInnen

Das Berufsbild für GebärdensprachdolmetscherInnen ist relativ jung, da Gebärdensprache lange Zeit nicht als vollwertige Sprache anerkannt wurde. Es besteht in Deutschland erst seit Anfang der er Jahre die Möglichkeit, eine Ausbildung in diesem Bereich zu absolvieren.

Davor haben zum Beispiel Kinder gehörloser Eltern (CODA = child of deaf adultCODA) oder Personen, die sich mittels Gebärdenkursen1 weitergebildet haben, für hörgeschädigte Menschen vermittelt. Häufig übernahmen auch SozialarbeiterInnen, SeelsorgerInnen oder andere Personen, die im sozialen Bereich mit Hörgeschädigten zu tun haben, zusätzlich die Aufgaben einer DolmetscherIn. Hörgeschädigtenverbände forderten allmählich durch ein sich wandelndes Selbstverständnis ein selbstbestimmtes Leben. Ein wichtiges Ziel dabei war die Trennung von Fürsorge und Sprachmittlung und im Zuge dessen die Qualifizierung von GebärdensprachdolmetscherInnen.

Das Berufsbild, das heute in den verschiedenen Ausbildungen vermittelt wird, richtet sich an dem klassischen Dolmetscherberufsbild aus, wie es von LautsprachdolmetscherInnen bekannt ist. Das heißt, dass die DolmetscherIn ausschließlich für das Gelingen der Kommunikation verantwortlich ist und sich in der Situation nicht als dritte Person am Gespräch beteiligt. Sie bleibt objektiv und ergreift für keine Seite Partei. Unter allen Umständen unterliegt sie der Verschwiegenheitspflicht in Bezug auf die in Zusammenhang mit einem Dolmetschauftrag stehenden Informationen. Diese und andere Verhaltensregeln sind in der Berufs- und Ehrenordnung für GebärdensprachdolmetscherInnen verankert.

Einsatzgebiete von Gebärdensprach­dolmetscherInnen

Durch das Angebot professioneller Dolmetschdienstleistung, das Hörgeschädigte in vielen Zusammenhängen in Anspruch nehmen, sind diese in immer mehr Situationen in der Lage, selbstbestimmt Entscheidungen zu treffen, weil Kommunikation ohne Einmischung oder gar Bevormundung gewährleistet wird.

Nicht nur in Bereichen, die einem am ehesten einfallen mögen, wie etwa der Arbeitsplatz oder der juristische Bereich, spielt der ungehinderte Zugang zu Informationen eine entscheidende Rolle. Die Bandbreite, innerhalb derer GebärdensprachdolmetscherInnen tätig sind, ist groß. Über den Grad an Spezialisierung auf bestimmte Fachgebiete entscheidet einerseits die Dolmetscherdichte in einer Region und andererseits die Quantität der Aufträge innerhalb eines Einsatzbereiches bzw. Fachgebietes. Eine große Anzahl der KollegInnen deckt abhängig von Neigungen und Kompetenzen ein möglichst großes Spektrum ab: Eine GebärdensprachdolmetscherIn kann davon ausgehen, dass sie häufig und in unregelmäßiger Folge u. a. in den Bereichen Arbeitsleben, Ausbildung, Gericht/Polizei, Kirche, Schule, bei Kontakten mit Behörden, im medizinischen Bereich und auf Kongressen oder Tagungen arbeitet. In jedem Fall ist sie durch ihre Berufs- und Ehrenordnung dazu verpflichtet, nur solche Aufträge anzunehmen, in denen sie ausreichend sprachliche und fachliche Kompetenz vorweisen kann.

Allgemein ist weiterhin die Festlegung auf ein bestimmtes geographisches Einsatzgebiet die Regel, da es in der Deutschen Gebärdensprache viele regionale Dialekte gibt. Das heißt, die in Deutschland tätigen DolmetscherInnen üben ihren Beruf hauptsächlich an ihrem Wohnort und der umgebenden Region aus.

Im Folgenden seien einige Beispiele für Einsatzbereiche von GebärdensprachdolmetscherInnen genannt:

Kindergarten/Schule Ausbildung Fortbildung Betrieb Behörde medizinischer Bereich juristischer Bereich religiöser Bereich kultureller Bereich wissenschaftlicher Bereich sportlicher Bereich sonstige

Diese Auflistung zeigt, dass von einer GebärdensprachdolmetscherIn nicht nur eine hohe Flexibilität in Bezug auf Inhalte, Arbeitszeiten und Einsatzorte gefordert ist, sondern auch die Bereitschaft, sich in immer neue Bereiche einzulesen und ununterbrochen Informationen über alle Lebensbereiche zu sammeln und zu archivieren.

Arbeitsweise von Gebärdensprach­dolmetscherInnen

Übliche Dolmetschtechniken

GebärdensprachdolmetscherInnen dolmetschen in den meisten Fällen simultan. Das heißt, dass sie mit einer relativ kleinen zeitlichen Verzögerung (lagtime) parallel zur SprecherIn einen zielsprachlichen Text produzieren. Im Gegensatz zum Konsekutivdolmetschen, das zwischen zwei Lautsprachen häufiger vorkommt, ist das Simultandolmetschen Zeit sparender, weil nicht abgewartet werden muss, bis der Sprecher fertig oder eine Sinneinheit abgeschlossen ist, um schließlich mit der Übersetzung anschließen zu können. GebärdensprachdolmetscherInnen arbeiten aufgrund der visuellen Gebärdensprache nicht versteckt in Kabinen, wie ihre LautsprachkollegInnen dies etwa auf Kongressen tun, sondern sind stets präsent im Blickfeld der Beteiligten.

In manchen Situationen ist es nicht das gesprochene Wort, sondern ein schriftlicher Text, der von der DolmetscherIn in die Gebärdensprache übertragen wird. Diese Technik nennt man Vom-Blatt-Dolmetschen. Sie kommt zum Beispiel im Rahmen von Behördengängen bei der Übersetzung von Formularen zur Anwendung.

Dolmetschen im Team

Eine DolmetscherIn muss während ihrer Tätigkeit eine hohe Konzentration aufbringen. Erwiesenermaßen kann dieses hohe Maß an Leistung nicht unbegrenzt aufrechterhalten werden und die Dolmetschqualität ließe zwangsläufig mit fortschreitender Zeit nach, wenn nur eine Person ohne Unterbrechung dolmetschen würde. Aus diesem Grund arbeiten DolmetscherInnen zumeist im Team. Bei besonderen Veranstaltungen kann ein Team auch aus drei oder mehr DolmetscherInnen bestehen, wie es beispielsweise bei Kongressen vorkommt. Damit die DolmetscherInnen in der Vorplanung eines Auftrags entscheiden können, wie viele KollegInnen zum Einsatz kommen sollten, bedarf es im Voraus genauer Angaben über die Art, die Dauer und den Ablauf der jeweiligen Veranstaltung.

Einsätze von Zweier-Teams sehen in der Regel wie folgt aus: Beide KollegInnen sitzen zusammen (nebeneinander oder sich gegenüber), im Wechsel dolmetscht jeweils eine von ihnen aktiv. Die scheinbar passive KollegIn bleibt aufmerksam, um die Dolmetschende bei Bedarf jederzeit zu unterstützen. Auf diese Weise kann eine höchstmögliche Dolmetschqualität über einen relativ großen Zeitraum gewährleistet werden. Daher können diese Zweier-Teams während ihres Einsatzes auch nicht getrennt werden. Bei der Gestaltung von Gruppenarbeit innerhalb eines Seminars beispielsweise ist deshalb – bei Teilnahme mehrerer hörgeschädigter Personen – darauf zu achten, dass man sich im Vorfeld unter Rücksprache mit einer der DolmetscherInnen um ausreichende Besetzung kümmert, da sich ein Team nicht splitten wird, um mehrere Gruppen bedienen zu können.

Sprachen und Kommunikations­systeme, mit denen Gebärdensprach­dolmetscherInnen in Deutschland arbeiten

Die Gruppe der gern als Hörgeschädigte zusammengefassten Menschen ist sehr heterogen. Es ist nicht nur sehr unterschiedlich, wie viel eine Person mit oder ohne technische Hilfsmittel hört, es ist auch von Bedeutung, ob die Hörschädigung vor dem Erlernen der Lautsprache eintrat oder nicht. Jemand, der Gesprochenes hauptsächlich über die Augen wahrnimmt und seine eigene Stimme nicht über das Ohr kontrollieren kann, wird sich in der Lautsprache in den meisten Fällen nicht zu Hause fühlen. Je nach KlientIn und abhängig von den Gegebenheiten vor Ort können daher (neben der Lautsprache) unterschiedliche Kommunikationsformen von der DolmetscherIn gefordert sein.

Deutsche Gebärdensprache (DGS)

Am häufigsten wird von Deutsch in Deutsche Gebärdensprache (DGS) und umgekehrt von DGS in Deutsch gedolmetscht (Letzteres wird in der Community als Voicen bezeichnet).

Die Deutsche Gebärdensprache ist im Gegensatz zu den weiter unten genannten Kommunikationssystemen eine eigenständige Sprache und verfügt als solche über eine vollständige Grammatik. Sie ist ebenso komplex wie andere Sprachen, jedoch werden die Einheiten nicht akustisch, sondern visuell wahrgenommen. DGS ist wie andere Sprachen natürlich gewachsen und daher landesspezifisch. Es werden darüber hinaus zum Beispiel in Deutschland verschiedene Dialekte unterschieden.

Lange Zeit wurde nicht erkannt, dass sich in Gebärdensprache abstrakte Zusammenhänge ausdrücken lassen und sie nicht mit Pantomime zu vergleichen ist. Das führte sogar dazu, dass die Benutzung von Gebärdensprachen im Unterricht an Gehörlosenschulen in großen Teilen Europas durch den 2. Mailänder Taubstummenlehrer-Kongress von 1880 verboten wurde. Zwar wird in den meisten Ländern mittlerweile wieder die jeweilige nationale Gebärdensprache in den Schulen benutzt und auch unterrichtet. Jedoch trifft dies leider auf fast alle Gehörlosenschulen in Deutschland noch nicht zu: Obwohl die Gebärdensprachen seit Beginn ihrer Erforschung 1960 in den USA durch W. Stokoe linguistisch anerkannt sind und das Europäische Parlament 1988 eine Empfehlung zur Anerkennung der Gebärdensprachen an die damaligen Mitgliedstaaten richtete, wurde die rechtliche Anerkennung der Gebärdensprache in Deutschland erst im Jahre 2002 mit Inkrafttreten des Behindertengleichstellungsgesetzes umgesetzt. Seither sind auch in allen Bundesländern Landesgleichstellungsgesetze verabschiedet worden.

Lautsprachbegleitende Gebärden (LBG) und Lautsprachunterstützende Gebärden (LUG)

Hörgeschädigte, die die deutsche Lautsprache gewohnt sind, werden in bestimmten Situationen eher ein Kommunikationsmittel bevorzugen, das das gesprochene Deutsch visualisiert. Das heißt, dass die Grammatik und Wortreihenfolge des Deutschen beibehalten werden und jedes Wort durch eine Gebärde begleitet wird, wie es beispielsweise bei den Lautsprachbegleitenden Gebärden (LBG) geschieht. Es gibt noch weitere ähnliche Kommunikationssysteme wie zum Beispiel das Lautsprachunterstützende Gebärden (LUG), bei dem im Vergleich zu LBG weniger Gebärden verwendet werden und ein größeres Gewicht auf dem Absehen vom Mund der DolmetscherIn liegt.

Fingeralphabet

Ein Hilfsmittel, das nicht von allen hörgeschädigten Menschen genutzt wird, aber weit verbreitet ist, ist das Fingeralphabet. Jeder Buchstabe wird dabei durch eine Handform repräsentiert. Die Handformen variieren in den jeweiligen Landes-Fingeralphabeten. Dieses System kommt zum Beispiel zum Einsatz, um Eigennamen, Fremdwörter u. Ä. zu buchstabieren, für die es keine Gebärden gibt. Es handelt sich dabei also nicht um eine inhaltliche Übersetzung, sondern eine so genannte Transkodierung, also eine bloße Übertragung der Form des einen Zeichensystems (Buchstaben) in die des anderen (Handzeichen).

Lormen, Nießen, Daktylieren, Abgefühlte Gebärden

Viele Gebärdensprachdolmetscher­ausbildungen umfassen auch das Dolmetschen für taubblinde Menschen. Redebeiträge werden dabei mit Hilfe eines Tastalphabets in eine Hand des/der Taubblinden getippt. Es gibt drei verschiedene Systeme: Lormen, das über die Handfläche, das Nießen, das über den Handrücken abgefühlt wird, Daktylalphabet, bei dem Handzeichen – ähnlich dem o.g. Fingeralphabet – in der Hand des taubblinden Menschen geformt werden. Da aber alles Gesprochene und auch andere Informationen, die die Umgebung betreffen, buchstabiert werden müssen, sind diese Kommunikationssysteme relativ langsam.

Bei Personen, die zuerst eine Hörschädigung hatten, zu der später eine Sehschädigung hinzukam, und die von daher eher in Gebärdensprache kommunizieren, ist es auch möglich, dass die DolmetscherIn gebärdet und die taubblinde KlientIn die Gebärden (Handformen und Bewegungen der Hände) abfühlt.

Abgesehen von den speziellen kommunikativen Anforderungen unterscheidet sich das Dolmetschen für Taubblinde auch sonst von anderen Einsätzen: Taubblinde Menschen brauchen eine Begleitperson, die sie in einer fremden Umgebung führt, auch in den Pausen für sie da ist und sie gegebenenfalls zu dem Veranstaltungsort bringt und wieder nach Hause fährt. Es wird in verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich gehandhabt, ob die GebärdensprachdolmetscherIn diese Aufgaben ebenfalls übernimmt oder nicht.

Arbeitsbedingungen für das Gebärdensprach­dolmetschen

Äußere Bedingungen für eine optimale Dolmetschsituation

Um eine hohe Qualität ihrer Arbeit zu gewährleisten, sind DolmetscherInnen während des Einsatzes auf möglichst gute Arbeitsbedingungen angewiesen. Dazu gehört ausreichend helles Licht – einerseits, um die gebärdende Person klar sehen zu können, andererseits, damit die hörgeschädigten GesprächsteilnehmerInnen die dolmetschende Person ohne Anstrengung gut wahrnehmen können. Das bedeutet auch, dass möglichst keine der beiden Parteien vor einem hellen, blendenden Hintergrund sitzt (zum Beispiel vor einem Fenster), weil dies die Gesichter der betreffenden Personen verdunkelt und somit gebärdensprachimmanente Grammatik, wie z. B. Mimik, nur undeutlich erkennbar ist. Da alles, was nur undeutlich wahrgenommen oder nicht gehört wird, nicht gedolmetscht werden kann, ist des Weiteren räumliche Nähe zur RednerIn bzw. eine gute Lautsprecheranlage wichtig für das Dolmetschen. Für eine gesunde Arbeitshaltung werden darüber hinaus stabile Stühle in Erwachsenengröße ohne Armlehnen benötigt, da DolmetscherInnen größtenteils im Sitzen arbeiten und dabei eine gewisse Bewegungsfreiheit für beschwerdefreies Arbeiten unabdingbar ist.

Hinweise an die Kommunikationsteilnehmer zum Verhalten in einer Dolmetschsituation

DolmetscherInnen sind darauf bedacht, bei ihrem Einsatz im Hintergrund zu bleiben, also quasi unsichtbar zu sein. Um ihre Arbeit als SprachmittlerInnen optimal ausführen zu können, ist es sehr hilfreich, wenn alle Anwesenden auf eine deutliche, aber wie gewohnt flüssige Sprechweise achten und damit auf die erhöhte Informationsverarbeitungs- und Konzentrationsleistung einer DolmetscherIn Rücksicht nehmen. Es ist für eine einzelne Person in Situationen, in denen es heiß hergeht und im Eifer des Gefechts mehrere Redebeiträge gleichzeitig erfolgen, schlichtweg unmöglich mitzuhalten, denn es sollte nicht vergessen werden, dass eine DolmetscherIn immer nur eine Person zur Zeit dolmetschen kann. Einer DolmetscherIn obliegt es im Übrigen nicht, zu entscheiden, welchen der Beiträge sie dolmetscht und welcher unter den Tisch fällt. Deshalb ist es im Interesse aller am Gespräch Beteiligten, gleichzeitiges Sprechen zu vermeiden, um einen reibungslosen Ablauf sicherzustellen. Andernfalls kann es passieren, dass die DolmetscherIn – oder ihre KollegIn – in das Gespräch eingreifen muss.

Es kann auch vorkommen, dass sie um eine Wiederholung einer bestimmten Äußerung bittet. Ein solches Vorgehen ist kein Zeichen von Inkompetenz. Im Gegenteil, ein gutes Dolmetscherteam respektive eine gute DolmetscherIn bemüht sich auch unter widrigen Umständen um eine vollständige Übertragung des Gesprächs. In diesem Fall geht es nicht darum, die Inhalte des zuvor Gesagten zu erklären, sondern die DolmetscherIn hat eine Information aus verschiedenen (zum Beispiel akustischen) Gründen nicht aufnehmen können. Somit ist eine tatsächliche Wiederholung, sofern möglich, wünschenswert. Ab und an wird entgegnet, dass das eben Gesagte eigentlich nicht so wichtig sei. Darüber kann im Grunde nur die andere GesprächspartnerIn (ob hörend oder gehörlos ist völlig gleichgültig) entscheiden. Daher sollte die vermeintlich unwichtige Äußerung wiederholt werden, um somit einen uneingeschränkten Zugang zu sämtlichen Informationen und damit Gleichberechtigung und Partizipation zu gewährleisten.

Hinweise an die DolmetscherIn wie: Könnten Sie ihm wohl sagen... oder: Sagen Sie ihr doch bitte... sind unpassend und führen zur Verwirrung. Man kann sich – wie sonst auch – seinen Kommunikationspartnern zuwenden und sie direkt ansprechen. Eine weitere Formulierung wird nicht den gewünschten Effekt haben: Dolmetschen Sie das jetzt mal bitte nicht. Denn in ihrer Funktion als Sprachmittler haben die DolmetscherInnen die Aufgabe, transparent zu sein und jede Äußerung zu dolmetschen.

Es kommt immer wieder vor, dass DolmetscherInnen in das Handlungsgeschehen eingebunden werden, indem sie während des Dolmetschens direkt angesprochen bzw. etwas gefragt werden. Dies ist sicherlich verständlich, man sollte sich jedoch vor Augen führen, was das für die DolmetscherIn bedeutet: Sie kann ja nicht einfach ihre Arbeit abbrechen und am Gespräch teilnehmen und einen Teil ihrer KlientInnen vom Geschehen ausschließen. Sie wird also erst einmal die an sie gestellte Frage dolmetschen. Dies bedeutet schon eine Zeitverzögerung, bevor sie dann möglicherweise antwortet und auch ihre Antwort wiederum dolmetscht. Im Dolmetschprozess führen direkte Fragen also zu einer komplexen Situation, in der die reibungslose Kommunikation zwischen den GesprächsteilnehmerInnen auf jeden Fall an erster Stelle stehen bleiben muss. Es empfiehlt sich von daher, direkte Fragen an die DolmetscherIn vor oder nach dem Einsatz zu stellen.

Bestellung einer Gebärdensprach­dolmetscherIn

Bei der Bestellung beachten

Es gibt verschiedene Punkte, die in Abhängigkeit von der Art des Einsatzes schon bei der Bestellung einer GebärdensprachdolmetscherIn beachtet werden sollten. Die DolmetscherIn wird gern bereit sein, über den Beruf kompetent Auskunft zu geben und weitere Fragen zu beantworten. Ein paar allgemeine Voraussetzungen werden nachfolgend aufgeführt.

Frühzeitiges Bestellen ist wichtig!

DolmetscherInnen haben im Allgemeinen einen recht engen Terminkalender, deshalb ist möglichst frühzeitiges Bestellen empfehlenswert. Es ist ratsam, die DolmetscherIn sofort nach Festsetzung eines Termins zu kontaktieren und nicht erst zwei oder gar eine Woche vorher. Zu diesem Zeitpunkt steht möglicherweise keine DolmetscherIn mehr zur Verfügung und es muss unter Umständen eine Terminverschiebung in Kauf genommen werden.

Bereitstellen von Vorbereitungsmaterial in Absprache mit der DolmetscherIn

Ein anderer ebenso wichtiger Faktor sind Vorbereitungsmaterialien. Jede gewissenhafte DolmetscherIn bereitet sich auf einen Einsatz vor. Das heißt, dass die reale Arbeitszeit schon vor dem eigentlichen Dolmetschtermin beginnt. Um sich optimal vorbereiten zu können, sind DolmetscherInnen auf die Mitarbeit derer angewiesen, die an dem jeweiligen Einsatz beteiligt sind. Ein kurzes, vorbereitendes Gespräch einige Tage vor dem Termin bietet die Gelegenheit, eventuelle Fragen zu klären. Darüber hinaus sind Informationen inhaltlicher Art sehr wichtig, die nach Möglichkeit in schriftlicher Form erfolgen sollten. Dieses Vorbereitungsmaterial kann ganz unterschiedlicher Gestalt sein: Hilfreich sind immer die Tagesordnung, gegebenenfalls Protokolle vorangegangener Sitzungen, Grafiken, Organigramme, Namenslisten, genaue Daten, statistisches Zahlenmaterial, Listen betriebseigener Abkürzungen, um sich mit der spezifischen Terminologie vertraut machen zu können. Insbesondere vorbereitete Reden sind unerlässlich, um die Intention des Redners im Voraus zu erfassen und von Anfang an berücksichtigen zu können. Wichtig sind außerdem die vorherige Ankündigung und die Möglichkeit zur Ansicht von Filmmaterial oder Animationen, deren Vorführung geplant ist. Diese Medien stellen an die Verdolmetschung ganz spezifische Anforderungen und müssen daher gut vorbereitet sein.

Verständlicherweise werden sensible Daten ungern herausgegeben. GebärdensprachdolmetscherInnen unterliegen genau wie ÄrztInnen oder RechtsanwältInnen der Schweigepflicht und somit wird kein den Einsatz betreffendes Detail an Dritte weitergegeben, weder nach dem Auftrag noch davor: Vorbereitung ist für DolmetscherInnen das A und O, da sich nichts dolmetschen lässt, was man nicht versteht. Somit gehört die Einarbeitung in beispielsweise betriebliche oder technische/maschinelle Abläufe, terminologische Recherche, Vokabelarbeit und Weiteres zu einer Einsatzvorbereitung dazu und kommt allen Beteiligten zu Gute.

Wahlrecht für KlientIn und DolmetscherIn

In Betrieben ist es oft so, dass sich hörende MitarbeiterInnen um die Organisation bzw. Bestellung der DolmetscherInnen kümmern. Dabei sollte möglichst den Wünschen der gehörlosen MitarbeiterInnen entsprochen werden.

Auch eine DolmetscherIn hat Wahlfreiheit, nämlich in Bezug auf die Annahme eines Dolmetschauftrags. Das Wahlrecht erstreckt sich außerdem auf die verschiedenen Sachgebiete, in denen Dolmetscheinsätze möglich sind. Eine DolmetscherIn, die kein Blut sehen kann, wird sicherlich auch jeden Einsatz, wo es um operative Eingriffe geht, ablehnen.

Kontaktaufnahme mit Gebärdensprach­dolmetscherInnen

Man kann GebärdensprachdolmetscherInnen auf unterschiedliche Art und Weise kontaktieren bzw. bestellen:

Es besteht die Möglichkeit, direkt mit DolmetscherInnen Kontakt aufzunehmen. Möglicherweise kennt die hörgeschädigte GesprächspartnerIn bereits einige DolmetscherInnen, die regelmäßig für ihn bzw. sie dolmetschen. Der gängigste Weg ist die Internetseiten der Berufsverbände (Bundesverband der GebärdensprachdolmetscherInnen Deutschlands e.V. (BGSD) oder die der jeweiligen einsatzortnahen Bundesländer) zu Rate zu ziehen. Außerdem sind beispielsweise Dolmetschagenturen oder ‑Gruppen sowie einzelne freiberufliche GebärdensprachdolmetscherInnen oder privat gepflegte Listen auch im Internet zu finden.

Ein anderer Weg wäre über den Deutschen Gehörlosen-Bund (DBG) e.V. oder Vermittlungszentralen. Diese sind oft den Gehörlosenlandesverbänden angegliedert und verfügen über eigene Dolmetscherkarteien. Die Personen, die DolmetscherInnen vermitteln, sind in der Regel hörende Angestellte oder ehrenamtlich Tätige der Landesverbände, die – genau wie die DolmetscherInnen – einer Schweigepflicht unterliegen.

Die wichtigsten Punkte, die bei einer Bestellung zu klären sind, haben wir als Orientierungshilfe für das Gespräch in einer Art Checkliste aufgeführt.